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Gekürzt, verschoben, ausgefallen – Public Link spricht mit Reisejournalist:innen über die aktuelle Situation in der Branche

Eingeschränkt sind Urlaubsreisen trotz Corona wieder möglich, dennoch wurde die gesamte Reise- und Touristikbranche in 2020 einmal komplett auf den Kopf gestellt Die Konsequenzen erfährt nicht nur die Tourismusbranche – rund 120 Mio. Arbeitsplätze weltweit sind laut UNWTO von den Folgen für den Reiseverkehr betroffen – auch der Reisejournalismus wird hart getroffen. Denn keine Reisen heißt keine Reiseberichte und das wiederum bedeutet: Gekürzt, verschoben, abgesagt, gestrichen als neuer Arbeitsalltag der Reisejournalist:innen. Stattdessen werden Deutschlandthemen, Umland- und regionale Reise- und Ausflugsthemen sowie DACH-Reiseblogs beliebter und scheinen die Zukunft des nahen „Fernreisens“ zu sein. Die Touristik selbst lebt von Reisen, persönlichen Begegnungen und Erlebnissen, kaum eine Branche hat sich in den letzten Jahren so gern und oft zu Messen, Jahrestagungen, Kongressen und Events getroffen, wie die Reise- und Touristikbranche. Aber „Reisejournalismus ohne das Reisen – das ist wie Bergsteigen im Flachland, wie Radfahren mit einem platten Reifen…“ – so beschreibt Verena Wolff, Reisejournalistin und freie Journalistin, die derzeitige Situation und Problematik des Reisejournalismus. Sie und zwei weitere Kollegen haben Public Link von ihren Erfahrungen in den vergangenen Monaten, Veränderungen in der Branche und den Vorteilen für die Zukunft des Reisejournalismus berichtet:

„Die Situation für Reisejournalist:innen ist gleich aus zwei Gründen problematisch. Zum einen veröffentlichen viele Publikationen im Moment aufgrund fehlender Anzeigen keine oder deutlich weniger Texte und wenn, dann zumeist nur Deutschlandthemen. Andere Publikationen sind insolvent oder verschieben ihre Erscheinungsdaten. Zum anderen sind Recherchereisen jetzt nur sehr begrenzt möglich. Viele Leistungsträger unterstützen Journalist:innen nicht mehr. Auch durch die Absage bereits fest geplanter Reisen sind zum Teil erhebliche Kosten entstanden, die nicht ersetzt werden. Ich denke, dass eine Erholung nur sehr langsam einsetzen und nicht wieder zum Niveau vor Corona führen wird. Das sind so meine Erfahrungen.“ – Detlef Berg, div. Tageszeitungen

„Am sonderbarsten war die Zeit ab März, als während des Lockdown überhaupt kein Reiseteil mehr erschien. Ich habe in der Zeit vor allem Servicegeschichten rund ums Reisen in Coronazeiten fürs Hauptblatt geschrieben. Als sich abzeichnete, dass zumindest Reisen ins Inland – Perspektive war zuerst sogar nur Bayern – möglich sind, haben wir ab 9. Mai endlich wieder die Beilage gute reise ins Blatt genommen. Seitdem ist sie nur noch zwei, manchmal drei Seiten dünn, obwohl sogar Anzeigen für mehr Seiten da wären. Doch Corona zwingt zu einem geringeren Blattumfang. Es ist schon sonderbar, so gar keine Fernreisen in der Ausgabe zu haben, während die Redaktionen von Deutschland- und Österreichthemen geradezu überschüttet werden. Aber das wird sich sicher wieder einspielen, wenn es denn hoffentlich 2021 einen Impfstoff gibt. Insgesamt war Corona aber auch ein Anlass, künftig thematisch regionaler zu bleiben. Fernreisen als Pressereisen gehen mir derzeit aber nicht ab, ich habe heuer halt einfach mal bescheidenere Reisen in Europa gemacht, war statt auf Korfu im Schwarzwald. Meine Frankreich-Sommerreise mit der Familie und dem Wohnmobil ins Burgund war eh geplant, die Woche auf dem Hausboot dort auch. Insofern hat sich nichts geändert. Das Jahr bekommen wir schon noch rum. Profitiert haben vor allem Ferienwohnungen und die Campingbranche. Derzeit bin ich am meisten gespannt, ob die Wintersaison selbst unter Einschränkungen läuft. Oder ob man sich heuer Skifahren abschminken kann.“ – Matthias Niese, Nürnberger Nachrichten

„Reisejournalismus ohne das Reisen – das ist wie Bergsteigen im Flachland, wie Radfahren mit einem platten Reifen. Man ist ausgebremst, nichts geht mehr. Natürlich kann man Bilder anschauen, im Kopf wieder die Orte bereisen, in denen man schon war. Doch da fehlt was – sogar das meiste. Die Geräusche, die Gerüche, der Eindruck. Das Gefühl, ob man sich an dem Ort wohlfühlt oder nicht. Und vor allem: die Menschen. Die Gastgeber:innen. Die, die tagtäglich dafür sorgen, dass ein:e Reporter:in auf Reisen die besten Spots zum Nordlichtergucken kennt, die geheimen Plätze, an denen man einen Elch oder ein Rentier vor die Linse bekommt. Die Geschichten erzählen aus ihrer Heimat, die einen Ort erlebbar machen. Das Reisen, das Unterwegssein, muss man mögen. Auch das Aus-dem-Koffer-Leben, das Jede-Nacht-in-einer-anderen-Unterkunft-sein. Aber wer das mag und macht, der fühlt sich derzeit ziemlich eingesperrt. Denn vieles ist nicht möglich oder nur mit Einschränkungen. Und manches hat den Beigeschmack eines schlechten Gefühls. Vor allem, wenn auf einmal wieder viele Menschen beisammen sind. Ein Gutes allerdings hat die Situation auch: Statt in die Ferne zu schweifen, lernt man das Umland besser kennen. Und kehrt manchmal sogar in die Heimat zurück, die man vor langer Zeit verlassen hat – nur, um sie inzwischen mit ganz anderen Augen zu sehen.“ – Verena Wolff, Freie Journalistin (vor allem für die dpa)